Es gibt Familien, die sind so klein, dass sie nur aus zwei Menschen bestehen. Zu meiner Familie zählten im Wesentlichen nur meine Mutter und ich. In
meiner Arbeit ZWEISAM setze ich mich mit der kleinsten Familieneinheit mit ihrer
zuweilen erdrückend engen Bindung auseinander.
Vor rund 20 Jahren emigrierten meine Mutter und ich aus Lettland in die Bundesrepublik. Das Zurechtfinden in einem fremden Land, das Erlernen einer
neuenSprache und das Kennenlernen einer fremden Kultur stellten gerade für diese fragile Familiensituation, wie auch für beide im Einzelnen eine besonders hohe Belastung dar. Auseinandersetzungen
spitzten sich häufig dadurch zu, dass man sich nicht aus dem Weg gehen, Probleme nicht mit anderen Familienmitgliedern teilen oder einfach die schlichtende Meinung eines Dritten nicht heranziehen
konnte. EinEntrinnen aus der Situation kam bereits bei kleinen Konflikten einem Herausbrechen aus der Familie gleich.
„Wie ging es anderen Mutter-Kind-Familien?", frage ich mich heute als Erwachsener.
Um das für mich herauszufinden, lud ich mehrere alleinerziehende Mütter mit ihren Einzelkinder ins Studio, um sie dort gemeinsam während
einerInterviewsituation zu portraitieren.
Die Entscheidung, die Portraits vor einer schwarzen Leinwand mit Kunstlicht und in schwarzweiß zu fotografieren, erschien mir als die geeignete
Methode, um kulturelle, wirtschaftliche und soziale Hintergründe möglichst auszublenden und somit das zwischenmenschliche Geschehen innerhalb der jeweiligen Paare hervorzuheben. Das Studio sollte
eine Bühne werden, auf der die Paare ihre Mutter-Kind-Rollen spielen. Sehr bald stellte sich für mich heraus, dass diese Arbeit keine soziologische Studie über Mutter-Kind-Beziehungen werden
wird. Die Paare wurden bei den Shootings zu Objekten meiner eigenen Projektionen, Sehnsüchte, Bedürfnisse, Wünsche, Erinnerungen... So entstand ein Katalog von Bildern, in dem ich Momente
wiedererkenne oder neu entdecke, die mich berühren oder abstoßen, mich an unbeschwerte Momente aus meiner Kindheit erinnern oder eine Sehnsucht nach nie Vorhandenem erwecken.
Um die Serie abzuschließen, hatte ich ursprünglich vorgesehen, meine Mutter nach Berlin einzuladen, um sie und mich in die Serie mit aufzunehmen. Dieser Versuch schlug fehl.
"zweisam" Berlin, Germany 2012